Freier Wille bedeutet, ich habe die Freiheit, mich gemäß den eigenen Wünschen, Erfahrungen, und Überzeugungen für oder gegen etwas zu entscheiden.

Die hier beschriebene Definition des freien Willens ist kompatibel mit der Ansicht, dass unsere Welt deterministisch ist (Kompatibilismus). Die Definition des Begriffs "Freier Wille" ist in Wissenschaft und Philosophie stark umstritten. Neben der weit verbreiteten kompatibilistischen Definition gibt es noch weitere. Hier drei der bekanntesten Definitionen:

1. Inkompatibilismus
Freier Wille existiert nicht, weil alle Ereignisse auf der Welt deterministisch vorbestimmt sind. Die Vorstellung, Entscheidungen frei treffen zu können ist eine Fiktion.

2. Reduktionismus
Freier Wille existiert nicht, weil neuronale Prozesse im Gehirn Handlungsentscheidungen bereits 300 Millisekunden früher signalisieren als der bewusst wahrgenommene Vorgang der Entscheidung. Bewusste Entscheidungen sind deshalb eine Fiktion.

3. Libertarismus
Freier Wille bedeutet, unabhängig von jeglichen Ursachen und Zuständen entscheiden zu können. Unsere Welt ist nicht deterministisch.

 

Um diese alternativen Definitionen sachlich einordnen zu können, sollen diese im folgenden erörtert und inhaltlich widerlegt werden. Dazu werden für jeden Argumentationsstrang die wichtigsten Merkmale beschrieben und ins Verhältnis gesetzt zur eingangs dargelegten kompatibilistischen Definition.

Wille ist immer in Erfahrung begründet, er ist deshalb schon immer deterministisch. Wenn wir von einem freien Willen sprechen, dann meinen wir natürlich diesen deterministischen Willen, der uns die Möglichkeit gibt auf Grund unserer Erfahrungen, jederzeit ja oder nein sagen zu können. Niemand - außer wir selbst - kann uns daran hindern, diese Entscheidung zu treffen. Sonst wäre der Wille nicht frei.

Wer freien Willen so definiert, dass es sich um einen Willen handelt, der frei von Voraussetzungen wäre, der verabschiedet sich vom rationalen Denken. Denn ein Wille kann prinzipiell nicht frei sein von Wünschen, Erfahrungen und Gefühlen. Der Wille ist frei, weil ich jederzeit eine Entscheidung treffen kann ohne dass mich jemand oder etwas davon abhalten kann.

Die drei wichtigsten Sichtweisen, die diesen deterministisch begründeten freien Willen in Frage stellen sind der Laplacesche Dämon, das Libet-Experiment und der Indeterminismus.

1. Der Laplacesche Dämon

Laplace war ein französischer Mathematiker und Physiker. In seinem Werk "Exposition du système du monde" (dt. "Darlegung des Weltbildes") aus dem Jahr 1796, entwickelte er die Hypothese, dass, wenn jemand vollständige Informationen über den gegenwärtigen Zustand des Universums sowie die Gesetze der Physik besäße, es theoretisch möglich wäre, die Zukunft und Vergangenheit des Universums vollständig vorherzusagen. Laplace machte damit ein deterministisches Weltbild anschaulich, in dem alles im Universum aufgrund von Ursache und Wirkung vorherbestimmt ist. Auch wenn Computer oder Lebewesen niemals in der Lage sein werden so gigantische Rechenleistungen aufzubringen, um Laplaces Hypothese zu bestätigen, scheint die Grundannahme eines deterministischen Universums sinnvoll und realistisch zu sein. Für viele Leser der Laplaceschen Hypothese entstand dadurch der bedrohlich wirkende Eindruck, dass der Mensch somit auch keinen freien Willen haben könnte, weil ja alles bereits kausal und deterministisch vorbestimmt sei. Deshalb bekam dieses Gedankenexperiment den Namen "Laplacescher Dämon".

Die Angst vor dem Laplaceschen Dämon erscheint jedoch in einem andern Licht, wenn man sich bewusst macht, wie diese Vorbestimmtheit zustande kommt. Es ist nämlich einfach alles, was wir gelernt und erfahren haben, was diese "Vorbestimmung" ausmacht. Erst diese Erfahrungen geben uns die Grundlage für unsere Entscheidungen. Ein Wille, der frei von Wünschen und Erfahrungen wäre, wäre kein Wille. Der Wille ist frei, weil es nichts außer uns selbst gibt, was diesen Willen verhindern könnte. Dass es ein fiktives Wesen gibt, das unsere Entscheidungen voraussagen kann ändert nichts daran, dass wir jederzeit Entscheidungen treffen, die unseren Wünschen und Vorstellungen entsprechen. Selbstverständlich nutzen wir unsere durch Ursache und Wirkung entstanden Erfahrungen dazu, den Willen zu formulieren. Es bleibt eine Fiktion, auf Grund kausaler Zusammenhänge unsere Zukunft festlegen oder voraussagen zu können. Kein Computer, kein göttliches Wesen und auch kein Dämon ist dazu in der Lage. Determinismus gibt uns die Grundlage dafür, Entscheidungen treffen zu können. Alles was wir gelernt, erfahren und verinnerlicht haben hilft die Entscheidung zu treffen. Solange es also nichts gibt, was eine Entscheidung verhindert, verfügen wir über einen freien Willen.

Manche Autoren behaupten, der "Freie Wille" wäre deshalb frei, weil dieser Wille frei von Voraussetzungen, Ursachen und Wirkungen wäre. Diese Vorstellung ist jedoch unsinnig, weil man dann nicht mehr von einem "Willen" sprechen könnte. Jeder Wille, auch der freie Wille, basiert auf Wünschen, Vorstellungen und sonstigen Kausal-Ketten.

Der Freie Wille wird also vom Laplaceschen Dämon nicht eingeschränkt. Ganz im Gegenteil: Determinismus ermöglicht erst den freien Willen.

2. Das Libet-Experiment

Es sind neurowissenschaftliche Untersuchungen, die Wissenschaftler dazu gebracht haben, den freien Willen in Frage zu stellen. Benjamin Libet führte in den 1980er Jahren ein Experiment durch, das Aufschluss über die Frage des freien Willens geben sollte. Das Ergebnis des Experiments war für Libet unerwartet. 300 Millisekunden bevor die Probanden bewusst eine Entscheidung trafen, gab es bereits Hirnaktivitäten, die diese Entscheidung ankündigten. Das warf die Frage auf, ob unser Gehirn Entscheidungen trifft bevor sie überhaupt ins Bewusstsein gelangen und ob wir überhaupt Kontrolle über unsere Handlungen haben. Manche Forscher stellten deshalb die Hypothese auf, der freie Wille wäre nur eine Fiktion.

Diese Interpretation des Libet-Experiments ist aus zwei Gründen fragwürdig. (1) Es gibt keinerlei empirisch überprüfbare Erkenntnisse darüber, wie unser Bewusstsein aus den neuronalen Prozessen unseres Gehirns hervorgebracht wird (Hard Problem of Consciousness). Ohne den konkreten Zusammenhang zwischen neuronalen Prozessen und Bewusstsein zu kennen, wäre die Behauptung es gäbe keinen freien Willen eine Hypothese, die sich nicht beweisen lässt. (2) Das Ich im Bewusstsein zu verorten, klammert das Gehirn und unseren Körper aus der Ich-Erfahrung aus. Das widerspricht unserer Selbstwahrnehmung. Auch gibt es keine wissenschaftliche Notwendigkeit, das Ich auf unser Bewusstsein zu reduzieren. Ich - mein Körper mit Bewusstsein und Gehirn - bin also derjenige, der die Entscheidungen trifft, nicht irgendetwas außerhalb meines Ichs. Mein deterministischer Wille mit bewußten und unbewußten Komponenten löst neuronale Prozesse aus, die dazu führen, meine Entscheidung umzusetzen. Solange mich niemand daran hindert, diese Entscheidung zu treffen, ist mein Wille frei. Das Libet-Experiment steht also nicht im Widerspruch zum freien Willen.

3. Der Indeterminimus

Jean-Paul Sartre argumentiert, dass die menschliche Existenz von radikaler Freiheit geprägt ist. Dies bedeutet, dass wir in jeder Situation die Freiheit haben, unsere eigenen Entscheidungen zu treffen, unabhängig von äußeren Umständen oder Determinismus. Unsere Entscheidungen sind nicht vorherbestimmt, sondern werden von uns selbst in jedem Augenblick erschaffen. Ähnliche Vorstellungen werden von Ernst Mach, Alfred North-Whitehead und William James vertreten.

Sowohl unsere Alltagserfahrungen, genauso wie Beobachtungen in der Natur und unzählige Erkenntnisse in den Naturwissenschaften legen jedoch nahe, dass Vorgänge in unserer Welt durch Ursache-Wirkung-Prozesse vor sich gehen. Zumindest gilt das für Vorgänge jeneseits der molekularen Ebene. Es gibt keine relevanten Hinweise darauf, dass menschliche Entscheidungen ohne solche Ursache-Wirkungs-Prozesse auskommen. Vielmehr bilden Wünsche, Erfahrungen und individuelle Dispositionen die Grundlage für jede unserer Entscheidungen. Insofern müssen wir Sartre und allen anderen Vertretern libertärer und indeterministischer Vorstellungen widersprechen. Jeder Wille ist deterministisch. Auch der freie Wille.

In der Quantenphysik werden indeterministische Vorgänge beobachtet, die aber nur auf molekularer Ebene beobachtbar sind. Es gibt keine Hinweise darauf, dass diese Prozesse einen nachweisbaren Einfluss auf unsere Alltagserfahrungen haben.

4. Fazit

Um frei wählen zu können brauchen wir Informationen und Erfahrungen bezüglich der zu wählenden Optionen. Nichts außer uns selbst kann unseren Willen verhindern. Unser Wille ist deshalb frei. Determinismus ist die Quelle des freien Willen.

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